Die Geschichte des Deutschen Reinheitsgebotes von 1516 und Vorläufer in verschiedenen Deutschen Städten wie Weimar, München, Weißensee, Nürnberg und Regensburg findet sich in dieser Rubrik.
Das vom bayerischen Herzog Wilhelm IV. im April 1516 erlassene Reinheitsgebot für Bier hat folgenden Wortlaut:
Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll
Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, daß
forthin überall im fürstentum Bayern sowohl auf dem lande wie auch in
unseren Städten und Märkten, die kein besondere Ordnung dafür haben,
von Michaeli bis Georgi ein Maß (bayerische = 1,069 Liter) oder ein
Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten = nicht ganz eine
Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von
Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben
Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (Heller = gewöhnlich
ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und
ausgeschenkt werden soll. Wo aber einer nicht Märzen-, sondern anderes
Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als
um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders
wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und
auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und
Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere
Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner
Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Faß Bier, so oft es vorkommt,
unnachsichtlich weggenommen werden. Wo jedoch ein Gauwirt von einem
Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei
oder drei Eimer (= enthält 60 Maß) Bier kauft und wieder ausschenkt an
das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemandem erlaubt und
unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als
oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.
Gegeben von Wilhelm IV.
Herzog in Bayern
am Georgitag zu
Ingolstadt Anno 1516
Ein kurzes Video zum Reinheitsgebot.
Fakten zum Deutschen Reinheitsgebot - Höhepunkt einer langen Rechtsentwicklung
Das Reinheitsgebot ist die älteste heute noch gültige
lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Zugleich ist es der
Höhepunkt einer sich über mehrere Jahrhunderte hinweg erstreckenden
rechtlichen Entwicklung in Deutschland, bei der es den jeweiligen
Obrigkeiten und Instanzen darum ging, durch entsprechende Verordnungen
die Qualität des Bieres, ein Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung, zu
verbessern. Solche Vorschriften lassen sich übrigens außerhalb
Deutschlands bis weit in das vorchristliche Altertum zurückverfolgen.
Erste urkundlich nachweisbare Ansätze in Deutschland: Augsburg 1156
Auf deutschem Boden gibt es den ersten urkundlich belegten Hinweis aus
der Zeit des Kaisers Barbarossa. Dieser gab im Jahr 1156 der Stadt
Augsburg eine neue Rechtsverordnung, die berühmte "Justitia Civitatis
Augustensis", die das älteste deutsche Stadtrecht ist. Und schon darin
ist vom Bier die Rede: "Wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht
oder ungerechtes Maß gibt, soll er gestraft werden..." Die Strafe war
übrigens schwer und betrug 5 Gulden, beim dritten Verstoß wurde dem
brauenden Wirt die Lizenz entzogen.
Weimar 1348
Das bisher älteste bekannt gewordene städtische Reinheitsgebot für
Bier kommt aus Weimar. Wie die Stadt im Jahr 2001 mitteilte, wurde in
den Archiven eine Verordnung aus dem Jahr 1348 gefunden. Sie ist damit
168 Jahre älter als die berühmte Vorschrift des bayerischen Herzogs
Wilhelm IV. Im Original lautet sie: "Das malcsz sal messen der
bruwemeister, der dazu gelobt hat. Ouch sal keyn bruwer anders zceit
syne bere thuen, denn malcz unde hophen." Auf Neuhochdeutsch also: "Der
Braumeister soll das Malz ordnungsgemäß abmessen. Kein Brauer soll
etwas anderes als Malz und Hopfen zu seinem Bier tun." Damit schreibt
dieses Gebot schon seit 1348 Bierzutaten vor. In der Stuttgarter
Zeitung vom 19.05.2001 wurde dazu ein Bericht von Hubert Erzmann
(Mitarbeiter des Stadtarchivs) veröffentlicht.
München 1363
Um die Qualität des Bieres kümmerten sich schon 1363 auch die
Münchener. Sie übertrugen 12 Mitgliedern des Stadtrates die
Bieraufsicht. Und 1447 verlangten sie ausdrücklich von den Brauern, daß
sie zum Bierbrauen nur Gersten, Hopfen und Wasser verwenden dürfen
"...und sonst nichts darein oder darunter tun oder man straffe es fuer
valsch".
Herzog Albrecht IV. bestätigte 40 Jahre später diese Forderung des
Münchener Stadtrates, denn er hatte erfahren, daß im Norden
Deutschlands das Biergeschäft vor allem deshalb blühte, weil die
dortigen Zünfte dafür sorgten, daß gutes Bier gebraut wurde.
Nürnberg 1393
Eine weitere Vorschrift ist aus der Stadt
Nürnberg bekannt. Dort durfte auf Beschluß des Stadtrates ab 1393 nur
noch Gerste zum Brauen verwendet werden. Die Münchener Stadtverwaltung
befahl rund 30 Jahre später, 1420, das Bier nach dem Brauen eine
Zeitlang zu lagern.
Weißensee 1434
Eine 1998 in Weißensee bei Erfurt entdeckte Wirtshausverordnung
"statuta thaberna" aus dem Jahr 1434 enthält bereits das Gebot, zum
Bier solle "man nichts anderes geben als Hopfen, Malz und Wasser".
Bier - das goldfarbene Gebräu, schäumender Gerstensaft mit
langer Brautradition und strengen Regeln zur Herstellung, besonders zur
Reinheit. Diese wurde im bayrischen Reinheitsgebot von 1516 beschrieben
und festgelegt, das bisher als das älteste in Deutschland galt. Bis 1998.
Da ging von der Stadt Weißensee, 30 km nördlich von Erfurt gelegen, eine
Sensation aus, die die deutsche Biertrinkerwelt in Aufregung versetzte.
Fand man doch im alten Stadtbuch von anno 1434 ein Reinheitsgebot für
Bier.
In der "Statuta thaberna", einer 30 Artikel umfassenden
Gaststättenverordnung, heißt es im Paragraph 12: "Es soll auch nicht in
das Bier weder Harz noch keinerlei andere Ungefercke. Dazu soll man nichts
anderes geben als Hopfen, Malz und Wasser. Das verbietet man bei 2 Mark
Strafe und derjenige muß die Stadt für 4 Wochen räumen."
So wurden also Panscher aus der Stadt gewiesen und damit Stadt und Bier
rein gehalten. (Bilder mit freundlicher Genehmigung der Brauerei Weißensee)
Regensburg 1447
Die Regensburger beauftragten 1447 ihren Stadtarzt, das in der Stadt
gebraute Bier regelmäßig zu kontrollieren und ein besonderes Augenmerk
darauf zu haben, was an Zutaten in das Bier gegeben wurde. Nach den
schlechten Erfahrungen des Stadtarztes brachten sie 1453 eine
Brauordnung heraus.
Herzogtum Bayern-Landshut 1493
Wenig später, im Jahr 1493, folgte Herzog Georg der Reiche nach und
erließ für sein gesamtes Herzogtum Bayern - Landshut, das altbayerische
Kerngebiet, diese Vorschrift: "Die Bierbrauer und andere sollten nichts
zum Bier gebrauchen denn allein Malz, Hopfen und Wasser, noch dieselben
Brauer, auch die Bierschenken und andere nichts anderes in das Bier tun
- bei Vermeidung von strafe an Leib und Gut."
Alle diese Verordnungen wurden kontrolliert: Bierbeschauer besuchten
regelmäßig die Brauer, prüften und versuchten das Bier. Auch sie selbst
waren strengen Bestimmungen unterworfen und durften höchstens sechs
Prüfungen am Tag vornehmen. Außerdem durften sie an Prüfungstagen weder
Speisen zu sich nehmen, die die Geschmacksnerven hätten beeinträchtigen
können, noch durften sie Wein trinken oder gar rauchen.
Tag des Reinheitsgebots: 23. April 1516
Verordnungen und Kontrollen trugen nachweislich zur stetigen
Qualitätsverbesserung des Bieres bei. Auf diese erfolgreiche
Entwicklung ist es auch zurückzuführen, daß am 23. April 1516 beim
bayerischen Landständetag - eine Zusammenkunft von Landadel und
Ritterschaft - in Ingolstadt durch Herzog Wilhelm IV. das
Reinheitsgebot für alle bayerischen Brauer erlassen wurde.
Waren bis dahin die norddeutschen Brauer aufgrund ihrer strengen
Zunftordnung mit ihren Bierqualitäten unerreicht, so änderte sich das.
Bayern holte schnell auf, ein Vorteil des süddeutschen Bier - und
Braurechts. Hierzu muß man wissen, daß es in Deutschland hinsichtlich
des Bieres zwei unterschiedliche Rechtssysteme gab:
Städte - und Zunftrecht im Norden
Im Norden galt Bier während des Mittelalters als "bürgerliche Nahrung"
und unterstand bürgerlichem Recht - das sich in den Städten entwickelt
hat, und das ihre Bürger erfolgreich gegen Adel und Geistlichkeit
vertraten. Deshalb waren hier das Bier betreffend Verordnungen in
erster Linie Sache der Stadtverwaltungen und der Zünfte.
Landesrecht im Süden
Im Süden hingegen nahmen die Landesherren direkten Einfluß auf alle
Verordnungen, die das Bier betrafen. Das wirkte sich beim
Reinheitsgebot besonders positiv aus, denn es galt sofort und
flächendeckend in ganz Bayern. Steuerliche Gesichtspunkte standen bei
diesem Erlaß nicht zur Diskussion. Eine Steuer für einheimisches Bier
wird in Bayern auch erst wesentlich später, nämlich 1572, eingeführt.
Das strenge Gesetz setzte hingegen einen verbindlichen
Qualitätsstandard für ganz Bayern und schob fortan allen Verfälschungen
und Panschereien einen Riegel vor. Das bayerische Reinheitsgebot fand
nach und nach überall in Deutschland Freunde und Anwendung, auch wenn
man die bayerische Vorschrift nicht einfach übernommen hat. Man meinte
das gleiche wie in Bayern, aber man sagte es aus unterschiedlichsten
Gründen nicht wo präzise.
Hamburger Brauordnung von 1695
So etwa in der er neuen Hamburger Brauordnung von 1695, in der die
Brauer am süddeutschen Beispiel ermahnt werden, "...daß sie gutes,
taugliches Bier brauen, äußersten Fleiß sich angelegen sein lassen, mit
untadeligem Korne sich versehen, zu jedem Brau dessen willige Maße
tun...".
Das deutsche Brauhandwerk: Hohe Anforderungen und ausgeprägtes Selbstbewußtsein
Es verdient in diesem Zusammenhang auch festgehalten zu werden, daß die
Grundvoraussetzungen für die Aufnahme in das Brauhandwerk im 15. und
16. Jahrhundert außergewöhnlich hoch gesteckt waren: Hierzu gehörte
nämlich nicht allein wie in den anderen Handwerken der Nachweis der
ehelichen Geburt und der Besitz des Bürgerrechts. Aufgrund des
kapitalintensiven Charakters des Brauhandwerkes verliehen z.B. die
bayerischen Herzöge, die auch über den Braubann verfügten, das Recht,
ein Brauhaus zu errichten und zu führen, nur an einflußreiche und
wohlhabende Bürger, die Grundstücksbesitzer waren.
Diese herrschaftlich privilegierte Gruppe von Brauherren, die die
Brauanlagen im Erbgange besaß, betrieb das Brauen in der Regel nicht
selbst, sondern bekleidete Ämter in der Stadt. Die Brauherren
beschäftigen in ihren Braustätten zumeist Lohnknechte, Gesellen und
Braumeister, von denen viele das subjektive Braurecht besaßen.
Aber auch innerhalb dieser nur handwerklich tätigen Mitglieder des
Gewerbes vollzog sich in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die
Herausbildung eines privilegierten Personenkreises, desjenigen der
Braumeister. Diese schirmten ihren Stand streng ab und setzten
erschwerte Eintrittsbedingungen durch.
Die strikte Befolgung der Bestimmungen des Reinheitsgebotes ist wohl
nicht zuletzt auf das ausgeprägte Standes- und Selbstbewußtsein dieses
handwerklichen Zweiges zurückzuführen. Wo es nicht - wie in Bayern -
durch die Landesherren verliehene Privilegien gab, haben die strengen
Bestimmungen der Zunft und das Selbstverständnis ihrer Mitglieder dazu
beigetragen, daß die jeweiligen Brauverordnungen strikt befolgt worden
sind.
Übernahme in das Recht nach der Reichsgründung 1871
Das Reinheitsgebot blieb auch durch die Jahrhunderte hindurch lebendig...Wenn man die rechtliche Entstehungsgeschichte des Reinheitsgebotes und
die grundlegenden Bedingungen für die Heraufkunft und Entwicklung des
deutschen Brauhandwerks kennt, kann man sich nicht darüber wundern, dass
das Reinheitsgebot auch in das verfassungsmäßige deutsche Recht
übergegangen und von den deutschen Brauern bis heute konsequent
eingehalten worden ist. Die Qualität des nach dem Reinheitsgebot
gebrauten Bieres war derart überzeugend und der Stolz auf die
vollendete Beherrschung der Braukunst mit nur vier Rohstoffen zu sehr
ausgeprägt, als dass dieses Gesetz hätte ein Opfer der Geschichte
werden können.
Das Reinheitsgebot fand Eingang in das Recht der Kaiserzeit
Mit der Vereinheitlichung des Rechtes haben nach der Reichsgründung
1871 denn auch andere Staaten das Reinheitsgebot übernommen. Baden
übernahm das Reinheitsgebot 1896, Württemberg im Jahr 1900, wenngleich
man auch dort schon im 18. Jahrhundert entsprechende Vorschriften
erlassen hatte. Ab 1906 galt es im gesamten Reichsgebiet. Es wurde im
Biersteuergesetz verankert, in dem es heißt, daß Bier nur aus Malz,
Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt werden darf.
Weimarer Republik
Auch die Weimarer Republik übernahm das Reinheitsgebot. Bayern machte
1918 seine Zugehörigkeit zur Republik u.a. davon abhängig, daß das
Reinheitsgebot weiter im gesamten Reichsgebiet gelte.
Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland findet das Reinheitsgebot seine
rechtliche Begründung im Biersteuergesetz. Hierin ist festgelegt, daß
zur Bereitung von Bier nur Hopfen, Malz, Wasser und Hefe verwendet
werden dürfen (=absolutes Reinheitsgebot). Darüber hinaus ist im
Biersteuergesetz aber auch der Verkehr mit Bier geregelt (§ 10). Danach
dürfen unter der Bezeichnung Bier nur solche Getränke in Verkehr
gebracht werden, die gegoren sind und den Bestimmungen des § 9
Biersteuergesetz entsprechen.
|